xeomed-Geschäftsführer Tino Niggemeier

Xeomed-Geschäftsführer Tino Niggemeier Im Interview mit Pharma Relations


Die Corona-Jahre haben das Rx-Marketing stark verändert. Der Wegfall von Außendienstbesuchen und von Präsenz-Fortbildungen haben die Pharmaindustrie wie auch die Ärzt:innen zu einer schnellen Digitalisierung gezwungen. Entsprechend ist die Nutzung digitaler Kanäle bei der Ansprache von Ärzt:innen heute eine Selbstverständlichkeit. Nun geht es darum, mithilfe von Daten die relevanten Herausforderungen und Themen des jeweiligen Healthcare Professionals (HCP) zu identifizieren, aufzugreifen und so echte Mehrwerte für die Zielgruppen zu schaffen. Pharma Relations – das Fachmagazin für Pharma-Marketing und Healthcare-Kommunikation – hat hierzu unseren Geschäftsführer und Digital X-Perten Tino Niggemeier befragt. Seine Insights und Einschätzung, wie sich das Potenzial digitaler Daten noch besser ausschöpfen lässt, lesen Sie hier:

Pharma Relations: Die Digitalisierung hat in den letzten knapp 3 Jahren einen Schub erlebt, gerade auch im Pharmabereich. Ist das aus Ihrer Sicht vor allem eine technologische Entwicklung? Oder wie muss sich das Rx-Marketing vor diesem Hintergrund verändern, was Strategien, Inhalte und die Ansprache der Fachzielgruppen betrifft?

Tino Niggemeier: Aus meiner Sicht ist die Dynamik der letzten drei Jahre nicht ursächlich in den technologischen Möglichkeiten zu finden. Das gesamte Thema Digitalisierung im Bereich Pharma und RX-Marketing ist heute ein ganz anderes. Durch die Rahmenbedingungen, die insbesondere Corona als Beschleuniger geschaffen hat, werden die Chancen und Möglichkeiten, die schon seit Jahren bestehen, jetzt dementsprechend genutzt.

Rx-Marketing muss stärker aus den Bedürfnissen und dem Verhalten der Zielgruppe heraus gedacht, konzipiert und realisiert werden. Die heutigen Maßnahmen sind noch zu sehr aus einer internen Betrachtungsweise und aus der Industrieperspektive konzipiert. Außerdem sollten die Marketing-Maßnahmen, sei es Webpräsenzen oder Kampagnen, stärker miteinander in Einklang gebracht werden – also möglichst die „Verzettelung“ von Aktivitäten vermeiden und mehr Fokussierung und Synergien schaffen.


Pharma Relations: Daten zu gewinnen und sie zu analysieren ist das eine, aber erst sie zu verstehen, ermöglicht es, aus ihnen strategisch sinnvolle Marketing- und Kommunikationsmaßnahmen abzuleiten. Worauf kommt es an, wenn man die erhobenen Daten verstehen will? Wo sehen Sie diesbezüglich Herausforderungen und Chancen für das Marketing?

Tino Niggemeier: Bei den erhobenen Daten benötigt es zunächst mehr Klarheit darüber, welche Fakten denn überhaupt relevant sind. Wir haben heute im digitalen Marketing eine regelrechte Datenflut. Daher braucht es erst einmal eine klare Priorisierung, welche Daten an welcher Stelle entscheidend sind, um diese auch dementsprechend interpretieren zu können.

Zudem werden überwiegend quantitative Daten betrachtet und ausgewertet. Dazu zählen beispielsweise Fragen nach der Reichweite: Wie viele Menschen waren auf der Website? Wie viele Klicks oder Impressions wurden generiert? Hier fehlt die qualitative Sichtweise komplett und wird aktuell noch zu wenig umgesetzt. Jedoch liegt genau hier das Potential für die  zukünftige Steuerung des Marketings. Das bedeutet, zum Beispiel nicht nur darauf zu achten, wie viele Besucher erreicht wurden, sondern auch deren Verhalten zu beobachten: Was haben die Nutzer wie lang gelesen? Über was haben sie sich informiert? Welches Material haben sie heruntergeladen? Konnte ich sie von meiner Botschaft überzeugen? Die qualitative Betrachtung ist der nächste Schritt, der im Marketing gegangen werden muss.


Pharma Relations: Third-Party-Cookies sollen in Zukunft verschwinden, das heißt die Möglichkeiten für Unternehmen, Daten über ihre Zielgruppen zu gewinnen, werden eingeschränkt. Was bedeutet das für das Marketing? Welche Möglichkeiten sehen Sie, um den „Verlust“ der Third-Party-Cookies kompensieren zu können? Welche Voraussetzungen muss man schaffen, damit Ärzt:innen überhaupt bereit sind, sie betreffende Daten zu teilen?

Tino Niggemeier: Uns als Agentur betrifft das Thema Cookies weniger, da wir kaum damit arbeiten. Aus unserer Sicht hat es Cookies weder in der Vergangenheit benötigt, noch werden sie heute gebraucht, um ein gutes digitales Marketing umzusetzen. Daher ist der Verlust der Third-Party-Cookies für uns kein Schaden, sondern dürfte sogar helfen, das Marketing auf ein qualitativ besseres Level zu heben.

Damit Ärzt:innen dazu bereit sind, betreffende Daten zu teilen, benötigt es passende Angebote für die Fragen und Bedürfnisse der Zielgruppe. Das bedeutet konkret: Steht das Informationsangebot der Zielgruppe leicht und verständlich zur Verfügung, entsteht automatisch der Kontakt und damit auch die Bereitschaft Daten dazulassen.


Pharma Relations: Erfordert ein digitales, datengetriebenes Rx-Marketing ein grundsätzliches Umdenken in den Pharmaunternehmen?

Tino Niggemeier: In meinen Augen stellt sich diese Frage nicht mehr, da das Umdenken in den meisten Häusern schon stattgefunden hat. Es wurden bereits Strukturen und Prozesse angepasst und Kompetenzen aufgebaut bzw. werden diese kontinuierlich ausgebaut.


Pharma Relations: Was sind Ihrer Meinung nach die wichtigsten Voraussetzungen, damit man erfolgreich digitales Marketing betreiben kann?

Für ein erfolgreiches Marketing benötigt es digitales Know-how und eine klare Roadmap. Zusätzlich muss das Ineinandergreifen der digitalen Aktivitäten sichergestellt sein.

Was bedeutet das im Detail?

  • Es benötigt das Wissen um die Bedürfnisse der Zielgruppe, basierend auf Daten und Fakten. Im nächsten Schritt ist eine Bestandsaufnahme, beziehungsweise Bewertung notwendig. Was war bisher gut und was nicht?
  • Mehr Klarheit über die digitalen Ziele und die relevanten Key-Performance-Indikatoren (KPIs). Was will ich überhaupt erreichen? Und woran soll der Erfolg festgemacht werden?
  • Die Herleitung und Umsetzung einer Roadmap für digitales Marketing, die allerdings stark mit den analogen Aktivitäten verknüpft sein sollte, um entsprechende Synergien zu nutzen.

Wir haben genau für diese Fragestellungen ein Programm entwickelt – das „Digital Shaping Programm“ zur Entwicklung einer nachhaltigen Digital-Strategie. Dieses beinhaltet Schulungskomponenten zur Vermittlungen des digitalen Know-hows, sowie die Bestandsaufnahme bisheriger Maßnahmen. Am Ende des Programms entwickeln wir gemeinsam mit den Teilnehmenden  eine Roadmap – der genaue Fahrplan für die digitale Marketing-Strategie.

Quelle: Pharma Relations Ausgabe 01/02-2023